Ein weiterer schwerer Fieberschub. Knapp an die 40 Grad. Ihre Atmung ein einziger Ausdruck von Beschwerlichkeit. Und … Bradycardie. So nennt man das, wenn das Herzerl nicht so oft schlägt, wie es eigentlich sollte. Schmerzen? Mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit.
Sachte streiche ich ihr über den Brustkorb. Und verweile mit meiner Hand dort wo das Herzchen ist. Bleib im Leben.
Es ist meine erste Nacht neben Skye auf dem Fußboden. Und es ist die erste Nacht, von der ich mir nicht sicher bin, ob mein Hund sie überleben wird. Ich werde in den nächsten zwei Wochen noch mehrere solcher Nächte verbringen. In etwa zwei Monaten wird es schließlich nach einer kurzen Atempause ein Déjà-Vu der Fußbodennächte geben. Retour an des Kreises Beginn. Meine kleine schwarze Kröte ist chronisch krank.
Nichts lastet schwerer auf unseren Schultern, als die Verantwortung für ein in unsere Hände gelegtes Geschöpf.
In den guten Momenten fühlt man die Bürde Gott sei Dank nicht. Sorglos und federleicht hopsen wir Seite an Seite in die Tage hinein.
Kein Gedanke, dass man an dieser Verantwortung eines Tages beinahe auseinanderbrechen könnte…
Es ist Ende Oktober. Kurz vor unserem Herbsturlaub. Mit Skye stimmt etwas nicht. Ganz harmlos, man muss schon genau hinsehen. Minimale Kraftlosigkeit an der Hinterhand.
Mit Schmerzmitteln und der naiven Diagnose Nervenwurzelentzündung im Gepäck brechen wir auf, um eine unserer Lieblingsregionen zu bereisen - den Languedoc.
Lange bleiben wir nicht. Skye’s Symptome verschwinden nämlich nicht nach wenigen Tagen wie erhofft. Ganz im Gegenteil.
Es ist der Beginn eines ganz und gar suspekten und unvorstellbar schweren Krankheitsverlaufs, dessen Ursache nach wie vor ungeklärt bleibt. Emotional wird diese Zeit wohl eine der härtesten Episoden meines Lebens.
Zwischen Fieberschüben, Durchfällen, starkem Gewichtsverlust, wechselseitigen Lahmheiten, Schluckstörungen, Atemproblemen, Herzarrhythmien aber durchaus auch einigen Genesungsphasen durchläuft Skye in den folgenden drei Monaten den Marathon ihres Lebens. Ein All-You-Can-Eat der veterinärmedizinischen Untersuchungsmethoden. Bei dem fortlaufend ein Diagnosen-Allerlei auf bunten Tellern serviert wird. Die einen gut verdaulich, andere wiederum bitter wie pechschwarzer Kaffee. Verheißen so manche Prognosen doch nicht gerade ein Leben, wie ich es mir für ein Geschöpf, das ich liebe, vorstelle.
Seelenhund weckt Seelenschmerz
Nahezu nichts ist geblieben von der ehemals so athletischen Hündin, geboren für ein Leben in Dynamik. Dahin die Trittsicherheit, die Sprungkraft, die pure Eleganz. Jeder Schritt eine Höllenqual für das Tier. Und eine Folter für mein Herz. ❤️🩹
Schorf wo einst ein feuchtes Näschen. Matte Augen wo an gewesenen Tagen ein pfiffiger Blick Wonne und Scharfsinn verhieß. Kannst du noch? Willst du noch?
Ich sehe Skye beim Verfall zu. Und verfalle dabei selbst. MITleid.
Stark sein ist nicht meine Stärke. Krisen werden von mir nicht bewältigt. Ich durchschlurfe sie. Grundsätzlich mit hängendem Haupt und in melancholischer Passivität.
Und nun liegt es ganz allein an mir, all die schwerwiegenden, ja unter Umständen lebensverändernde Entscheidungen für Skye und auch für mich zu treffen. Eine einzige Tortur. In der ich auch nach drei Monaten Auf und Ab noch kein bisschen Routine erlangen konnte.
Überdies gestaltet sich meine (human)medizinische Ausbildung als gigantisches Manko. Sachkenntnis sticht Lebensbejahung. Ich hoffe nicht, ich bin realistisch. Schlechte Voraussetzungen um meinen Hund hilfegebend durch den Todeskampf zu begleiten.
Skye wurde sprichwörtlich in meine Hand geboren. Loslassen? Oder - auf die Gefahr hin, dass mein Hund keinen Halt findet - weiter Rettungsringe kreuz und quer ins Trübe werfen? Noch mehr Leid riskieren? 🤷🏼♀️😢
Ich ergebe mich. Beinahe.
Freudig grunzend rollt sie sich auf der morgenglänzenden Schneeharschdecke. Es ist offensichtlich - mein Hund heute hat Bock auf Dasein.
Skye’s letzter schwerer Schub ist gut drei Wochen her, indessen wurde sie in einer Notoperation um ihre Gebärmutter erleichtert. So dramatisch sich ihr Gesundheitszustand alle paar Wochen darstellt, so rasant regeneriert sie.
Ich hoffe noch immer nicht. Zu schwer wiegt die Enttäuschung, wenn die wöchentliche Kontrolle in der Tierklinik eine Veränderung der Blutwerte, einen abermaligen Gewichtsverlust oder eine sonstige Ankündigung einer Wendung ihres Allgemeinbefindens ergibt.
Warum Skye noch hier ist? Tatsächlich hat sie - obgleich ihr die Nahrungsaufnahme an so manchen Tagen mitunter sehr große Schmerzen bereitete - nie aufgehört zu fressen.
Sie hat Hunger. Einen unbändigen Hunger auf Leben.
Ich sehe kaum etwas weil meine Augen voll Tränen sind. Ich kann dir nachfühlen wie du leidest. In Gedanken bin ich bei euch….
Hallo Hannes,
Danke für deine Anteilnahme. Inzwischen ist Skye relativ gut eingestellt mit Kortison und hat auch schon wieder ab und zu Schabernack im Sinn. Aber es war eine sehr harte Zeit… 😢
Geht’s euch gut? Was macht Skye’s großer Bruder Aiko?